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12.10.2015

Kontakt zu Flüchtlingen bewegt

Hinterländer Anzeiger, 13.10.2015

LAHNTALSCHULE Schüler wollen mit Theaterinszenierung an Menschlichkeit appellieren
Im persönlichen Gespräch lernen ...

Weil sie das Thema Flüchtlinge in einer Inszenierung aufgreifen wollen, hatten sich die Zwölftklässler nun sechs Männer aus Syrien Pakistan eingeladen, um mit ihnen über ihre persönlichen Geschichten zu sprechen. Warum sie geflüchtet sind, wie die Zustände in ihrer Heimat aussehen oder was sie auf ihrer Flucht erlebt und erlitten haben, waren nur einige der Fragen, die die Schüler an ihre Gäste richteten.

Dabei lernten sie, dass viele der Männer angesehene Berufe hatten oder studierten, dann aber aufgrund ihrer politischen Meinung über die Regierung fliehen mussten, um dem Gefängnis oder Folter zu entgehen. Genau das hat Sami erlebt, der in Pakistan Maschinenbau studierte und einer Gruppe angehörte, die den Menschen dort gegen die Übergriffe der Taliban geholfen habe.

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Viele Männer mussten fliehen, um dem Gefängnis oder sogar Folter zu entgehen

Unter Tränen berichtete er, wie die Taliban eines Tages in seine Stadt kamen und an der Universität viele seiner Freunde erschossen. Auch er selbst wurde gefangen genommen. Die Taliban hängten ihn an den Händen auf und folterten ihn, wodurch seine Schultergelenke zerstört wurden. Seine Schilderung der Ereignisse ließ auch die Schüler nicht kalt. Einige hatten Tränen in den Augen, so sehr fühlten sie mit dem jungen Mann und dem was er erlitten hat. Leicht sei es nicht, die eigene Heimat zu verlassen und die Familie zurückzulassen, erklärten die sechs Flüchtlinge übereinstimmend.

Aber oft gebe es keine andere Wahl, um der politischen Willkür in ihren Ländern zu entkommen. In vielen Fällen nähmen deswegen vor allem junge Männer die Strapazen der Flucht auf sich, die nicht selten mehrere Wochen oder sogar Monate dauert. Zwei Monate lang zu Fuß durch die Wüste, mit Booten über das Meer oder zusammengepfercht mit Dutzenden anderen auf der Ladefläche eines Lkw kämpfen sie sich Kilometer um Kilometer ihrem Ziel eines besseren Lebens entgegen. Das muss gar nicht mal unbedingt Deutschland sein, wie Abdul erklärte.

Auf seiner Flucht hat er auch ein halbes Jahr lang im Libanon gelebt, wo es mittlerweile über zwei Millionen Flüchtlinge gibt, und danach in Algerien. Sein eigentliches Ziel sei aber Schweden, weil dort eine seiner vier Schwestern lebt. Von seiner Ankunft in Deutschland berichtete Abdul, dass er von allen sehr herzlich empfangen wurde. Alle seien sehr nett gewesen und er habe nichts von Rassismus gemerkt, antwortete er auf eine Frage der Schüler. Wie sehr das Leben auf der Flucht trotzdem an ihnen nagt, auch wenn sie in Deutschland in Sicherheit sind und ein Stück Normalität in ihr Leben einkehrt, ließ Hamsa die Lahntalschüler spüren.

Obwohl sie erst seit einigen Monaten in Deutschland sind, sprechen sie schon gut Deutsch

Wiewohl er zu Scherzen aufgelegt war und die Fragen der Schüler auch mit einer Portion Humor beantwortete, fiel es ihm schwer, von seiner Familie zu sprechen, die er in Syrien zurücklassen musste. Es mache ihn traurig, von seinen Lieben getrennt zu sein, erzählte er - und noch nicht einmal sein jüngstes Kind gesehen zu haben, das nach seiner Flucht geboren wurde. Beeindruckt zeigten sich die Schüler aber nicht nur von den Erlebnissen der Flüchtlinge, die sich trotz aller persönlicher Schicksale ihre positive Lebenseinstellung bewahrt haben, sondern auch von deren Initiative, ein neues, besseres Leben zu beginnen.

Obwohl teilweise erst seit einigen Monaten hier, sprechen und verstehen viele von ihnen schon so gut Deutsch, dass man sich mit ihnen unterhalten kann. Zuhause habe er nie Hausaufgaben gemacht oder gelernt, erzählte Abdul. Aber hier in Deutschland habe er innerhalb von sechs Monaten die Sprache gelernt - und das, obwohl die alles andere als leicht sei.

Für die Schüler stellte der Besuch der sechs Flüchtlinge sowohl emotional als auch in Blick auf die geplante Inszenierung eine Bereicherung dar, wie sie anschließend in einem Gespräch zugaben. Es sei eine andere Sache, mit den Flüchtlingen selbst zu reden als nur über sie durch die Medien zu erfahren.

Auf diese Weise würden viel eher Berührungsängste abgebaut, betonten sie. Genau das wollen sie nun auch den Zuschauern ihrer Inszenierung vermitteln. Allerdings betonten sie auch, dass sie nicht einfach die Schicksale der Flüchtlinge nachspielen wollen. Vielmehr sei es ihr Anliegen, ihren Zuschauern die Augen für die Situation der Flüchtlinge zu öffnen und gleichzeitig für mehr Menschlichkeit zu appellieren. Ein Termin für die Aufführung des Stückes steht noch nicht fest.




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